L e i t s a t z zum Urteil des Ersten
Senats vom 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94
Es ist mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren, dass Mitglieder der sozialen
Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen und damit neben
dem Geldbeitrag einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines
umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems leisten, mit einem gleich
hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet
werden.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - 1 BvR 1629/94
- Verkündet am 3. April 2001
Kehrwecker Amtsinspektor als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle Im Namen des Volkes In dem Verfahren über die
Verfassungsbeschwerde des Herrn M... , - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte
Heinrich W. Moritz und Koll., Konstantinstraße 4-10, 54290 Trier -
gegen Art. 1 §§ 54, 55, 57, 58 und 60 des Gesetzes zur sozialen Absicherung
des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz -
PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I S. 1014) hat das Bundesverfassungsgericht
- Erster Senat - unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Papier, des
Richters Kühling, der Richterinnen Jaeger, Haas, der Richter Hömig,
Steiner, der Richterin Hohmann-Dennhardt und des Richters Hoffmann-Riem
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2000 durch Urteil
für Recht erkannt:
§ 54 Absatz 1 und 2, § 55 Absatz 1
Satz 1 und Absatz 2 sowie § 57 des Elften Buches Sozialgesetzbuch
vom 26. Mai 1994 (Bundesgesetzblatt I Seite 1014) sind mit Artikel
3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes
nicht vereinbar, soweit Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung,
die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag
wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden. Die unter 1 genannten
Vorschriften des Elften Buches Sozialgesetzbuch können bis zu einer
Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 2004, weiter angewendet
werden. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die
notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe: A. Die Verfassungsbeschwerde
richtet sich gegen die Nichtberücksichtigung der Betreuung und Erziehung
von Kindern bei der Bemessung des Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung.
1 I. Die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung ist in den §§
54 bis 68 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) geregelt, das
dem Sozialgesetzbuch durch Art. 1 des Gesetzes zur sozialen Absicherung
des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz -
PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I S. 1014) angefügt wurde. Sie erfolgt
vor allem durch Beiträge (§ 54 Abs. 1 SGB XI). Einzelheiten des Beitragsrechts
enthalten die Vorschriften der §§ 54 bis 61 SGB XI. 2 1. Die Beiträge
werden von den Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung erhoben
(§ 54 Abs. 2 SGB XI). Familienangehörige sind für die Dauer der Familienversicherung
nach § 25 SGB XI beitragsfrei versichert (§ 56 Abs. 1 SGB XI). Die
Beiträge werden wie in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht
nach dem versicherten Risiko, insbesondere nicht nach Gesundheitszustand,
Alter und Geschlecht, sondern nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz)
von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zu einer
Beitragsbemessungsgrenze erhoben (§ 54 Abs. 2 Satz 1, §§ 55, 57 SGB
XI). Die Beitragsbemessungsgrenze liegt wie in der gesetzlichen Krankenversicherung
bei 75 % der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung
(§ 55 Abs. 2 SGB XI) und belief sich am 1. Januar 2000 in den alten
Ländern auf 6.450 DM und in den neuen Ländern auf 5.325 DM monatlich.
3 2. Der Beitrag in der sozialen Pflegeversicherung betrug in der
Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 30. Juni 1996 bundeseinheitlich 1
% der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Seit 1. Juli 1996,
dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der leistungsrechtlichen Vorschriften
über die stationäre Pflege, beträgt der Beitrag 1,7 %. Die nach §
20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI pflichtversicherten Arbeiter, Angestellten
und zu ihrer Berufsausbildung gegen Arbeitsentgelt Beschäftigten -
Personen, die auch in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert
sind - sowie ihre Arbeitgeber tragen die nach dem Arbeitsentgelt zu
bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte (§ 58 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).
Die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherten
Arbeitnehmer, die nach § 20 Abs. 3 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung
versicherungspflichtig sind, erhalten einen Zuschuss vom Arbeitgeber,
der dem Arbeitgeberanteil der nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI Versicherten
entspricht (§ 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Im Freistaat Sachsen, in dem
kein gesetzlicher landesweiter Feiertag aufgehoben wurde, trugen die
Arbeitnehmer bis 30. Juni 1996 den Beitrag in voller Höhe (vgl. §
58 Abs. 3 SGB XI). Durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zum Inkraftsetzen
der 2. Stufe der Pflegeversicherung vom 31. Mai 1996 (BGBl I S. 718)
wurde § 58 Abs. 3 SGB XI im Ergebnis dahingehend geändert, dass in
Sachsen seit 1. Juli 1996 die Arbeitnehmer 1,35 % und die Arbeitgeber
0,35 % des Arbeitsentgelts als Beitragslast tragen. In allen anderen
Ländern blieb es auch nach dem 30. Juni 1996 bei einer hälftigen Teilung
der Beitragslast zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. 4 Der monatliche
Höchstbeitrag (einschließlich des Arbeitgeberanteils) hat sich seit
dem 1. Januar 1995 schrittweise in den alten Ländern von 58,50 DM
auf 109,66 DM im Jahre 2000 und in den neuen Ländern von 48 DM auf
90,52 DM monatlich entwickelt. 5 3. Die Pflegeversicherung ist keine
Vollversicherung in dem Sinne, dass ein etwaiger Bedarf des Pflegebedürftigen
in jedem Fall umfassend durch Leistungen gedeckt würde. Diese reichen
im stationären Sektor je nach Pflegesatz in den Pflegestufen I und
II teilweise und in der Pflegestufe III ganz überwiegend nicht aus,
um die Pflegekosten abzudecken, zu denen noch nicht unerhebliche Kosten
für Unterkunft und Verpflegung hinzutreten (vgl. Rothgang, Die Pflegeversicherung:
Kernstück der Altenpflegepolitik der letzten drei Dekaden, in: Frank
Schulz-Nieswandt/Gisela Schewe
, Festschrift für Eve-Elisabeth Schewe, 2000, S. 72).
In den alten Ländern waren im Jahre 1998 im Durchschnitt pro pflegebedürftigen
Bewohner 4.261 DM, in den neuen Ländern durchschnittlich 3.307 DM an
Mitteln monatlich aufzubringen (Angaben nach Schneekloth/Müller, Wirkungen
der Pflegeversicherung, Band 127 der Schriftenreihe des Bundesministeriums
für Gesundheit, 2000, S. 175 f.; im Folgenden: Schneekloth/Müller; vgl.
auch BTDrucks 14/3592, S. 10 f.). Dem standen folgende Leistungen der
gesetzlichen Pflegeversicherung gegenüber: 6 § 41 SGB XI § 42 SGB XI
Art. 49 a § 1 PflegeVG, § 43 Abs. 5 SGB XI vom 1.7.1996 bis 31.12.2001
§ 43 a SGB XI Pflege in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe
ab dem 25.6.1996 Pflegestufe monatlich bis zu für vier Wochen im Jahr
bis zu monatlich pauschal monatlich bis zu I 750 DM 2.800 DM 2.000 DM
10% des nach § 93 Abs. 2 BSHG vereinbarten Heimentgelts, höchstens 500
DM monatlich II 1.500 DM ab 1.8.1999: 1.800 DM 2.800 DM 2.500 DM III
2.100 DM ab 1.8.1999: 2.800 DM 2.800 DM 2.800 DM Härtefälle ------ ------
3.300 DM 7 Auch im ambulanten Sektor decken die Leistungen der Pflegeversicherung
in vielen Fällen nicht die gesamten Pflegekosten ab. 1998 hatten in
Privathaushalten lebende Pflegebedürftige durchschnittlich selbst zu
tragende regelmäßige Zusatzkosten in Pflegestufe I in Höhe von 210 DM/Monat,
in Pflegestufe II in Höhe von 264 DM/Monat und in Pflegestufe III in
Höhe von 384 DM/Monat (Schneekloth/Müller, S. 79). Dabei können die
zusätzlichen Kosten für die ambulante Pflege von Schwerstpflegebedürftigen
deutlich höher als die genannten Durchschnittswerte ausfallen. Die Leistungen
der Pflegeversicherung betragen bei häuslicher Pflege seit In-Kraft-Treten
des Gesetzes: 8 Pflegestufe Sachleistung § 36 SGB XI im Monat Pflegegeld
§ 37 SGB XI im Monat Kombinationsleistung § 38 SGB XI (Bsp.: 50/50)
im Monat I 750 DM 400 DM 575 DM II 1.800 DM 800 DM 1.300 DM III 2.800
DM 1.300 DM 2.050 DM Härtefälle 3.750 DM ------- 2.525 DM 9 Sowohl für
die häusliche als auch für die stationäre Pflege gilt, dass der Sozialhilfeträger
bei versicherten Pflegebedürftigen Leistungen erbringen muss, wenn -
finanzielle Bedürftigkeit unterstellt - entweder die erste Pflegestufe
noch nicht erreicht wird oder die Leistungen der Pflegeversicherung
nicht ausreichen, um die Kosten zu decken. 10 4. Das Risiko, pflegebedürftig
zu werden, wird in hohem Maße vom Lebensalter des Versicherten bestimmt.
Die im Gesetzgebungsverfahren verfügbaren Daten (vgl. BTDrucks 12/5262,
S. 62) und die durch den Ersten Bericht über die Entwicklung der Pflegeversicherung
gewonnenen Erkenntnisse (BTDrucks 13/9528, Anlage 2) weisen aus, dass
der Anteil der Pflegebedürftigen an der Altersgruppe bis 60 Jahre unter
1 % liegt - davon 0,5 % in der Altersgruppe unter 15 Jahren in häuslicher
Pflege (vgl. BTDrucks 13/11460, S. 244) -, von 60 bis 80 Jahre auf 5
% ansteigt und bei den 80-Jährigen und Älteren 20 % ausmacht. Unter
den Pflegebedürftigen selbst sind 17,5 % jünger als 60 Jahre, 30,3 %
im Alter zwischen 60 und 80 Jahren und 52,3 % schließlich 80 Jahre und
älter. 11 II. Der Beschwerdeführer ist Vater von zehn Kindern, die in
den Jahren 1982 bis 1995 geboren sind. Er geht einer abhängigen Beschäftigung
nach und ist freiwillig in der gesetzlichen Kranken- und in der sozialen
Pflegeversicherung versichert. Seine Ehefrau ist nicht erwerbstätig.
Sie betreut die Kinder und ist wie diese in die Familienversicherung
einbezogen. 12 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die ihn betreffenden
beitragsrechtlichen Vorschriften der §§ 54, 55, 57, 58 und 60 SGB XI.
Sie verletzten Art. 2, 3 und 6 GG sowie das Rechts- und das Sozialstaatsprinzip.
Auch habe der Gesetzgeber gegen die ihm im Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 7. Juli 1992 (BVerfGE 87, 1) auferlegten Pflichten verstoßen. 13
1. Mit Einführung der sozialen Pflegeversicherung sei die bereits bestehende
Transferausbeutung von Familien noch vertieft worden, obwohl das Bundesverfassungsgericht
in seinem Urteil vom 7. Juli 1992 dem Gesetzgeber aufgegeben habe, mit
jedem Reformschritt die Familien in Deutschland finanziell zu entlasten.
Die zukünftigen Lasten der Pflegeversicherung könnten überhaupt nur
dadurch gesichert werden, dass heute Eltern mit für sie erheblichen
Kosten die kommende Generation der Beitragszahler erzögen. Im Vergleich
zu Kinderlosen gerieten sie wegen der Kindererziehung finanziell völlig
ins Hintertreffen. Das gegenwärtige Umlagesystem bedeute, dass Kinder
nur jenen wirtschaftlich nützen würden, die selbst keine hätten. 14
2. Die beitragsfreie Familienversicherung nach § 25 SGB XI stelle keinen
ausreichenden Familienlastenausgleich für die durch die Kindererziehung
verursachte finanzielle Belastung der Eltern dar. Schon der Ausgangspunkt
sei falsch. Denn er impliziere, dass zum Beispiel ein Ehepaar mit zwei
Kindern "an sich" vier Beiträge zu zahlen hätte. Eine derartige Beitragslast
würde jedoch die Familie strangulieren und könnte nur als Ungerechtigkeit
bezeichnet werden. Darüber hinaus seien der nicht erwerbstätige erziehende
Ehegatte und die Kinder nur vorübergehend keine Beitragszahler. Dem
kinderlos Erwerbstätigen werde aktuell zwar auch ein Transfer für die
beitragsfrei Familienversicherten zugemutet. Das in der Zeit der Kindererziehung
gebildete Humankapital übersteige jedoch dessen Wert um ein Mehrfaches
und garantiere erst, dass der ältere Kinderlose im Falle der Pflegebedürftigkeit
später einmal Leistungen erhalten könne. Denn das zu verteilende volkswirtschaftliche
Einkommen lasse sich nur jeweils in dem Zeitabschnitt verbrauchen, in
dem es erwirtschaftet werde. Ein zukünftig zu verteilendes volkswirtschaftliches
Einkommen könne aber nur die Erwachsenengeneration erwirtschaften, die
sich heute noch im Kindesalter befinde. 15 3. Kindererziehung müsse
wegen ihrer das Umlagesystem erhaltenden Funktion als gleichwertig mit
der Beitragszahlung angesehen werden. Das zukünftige Deckungskapital
der sozialen Pflegeversicherung - die heute unterhaltsbedürftigen Kinder
- werde gegenwärtig unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel der
Eltern gebildet. Zudem müsse die Familie auch noch Beiträge zahlen,
um die aktuellen Lasten der sozialen Pflegeversicherung abzudecken.
Der für den Unterhalt der Kinder aufgewendete Betrag müsse daher von
Beiträgen zur Pflegeversicherung freigestellt werden. Nur so könne die
Doppelbelastung der Eltern durch Beitragszahlung und Kindererziehung
in erträglichem Umfange abgebaut werden. Das Kinder- und Erziehungsgeld
sowie ähnliche Leistungen böten keinen hinreichenden Ausgleich. 16 4.
Schließlich gehe es vorliegend auch nicht um eine geringfügige Belastung.
Zwar sei der Pflegeversicherungsbeitrag absolut betrachtet nicht besonders
hoch. Durch ihn werde aber das wenige frei verfügbare Einkommen der
Eltern wesentlich stärker belastet als das Einkommen kinderloser Erwerbstätiger.
Die Belastung liege in einem durch die Beitragspflicht staatlicherseits
auferlegten Konsumverzicht und sei für die Familien auch bei Beträgen
deutlich spürbar, die - absolut gesehen - gering ausfielen. Dies sei
nicht in gleicher Weise bei kinderlosen Erwerbstätigen der Fall. 17
III. Zur Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium für Arbeit
und Sozialordnung und das Bundesministerium für Gesundheit namens der
Bundesregierung, der AOK-Bundesverband, der Verband der Angestellten-Krankenkassen
und der Arbeiter-Ersatzkassen-Verband - beide auch für den Bundesverband
der Betriebskrankenkassen und den IKK-Bundesverband - sowie der Deutsche
Juristinnenbund Stellung genommen. Der Deutsche Familienverband, der
Familienbund der Deutschen Katholiken und der Verband Alleinstehender
Mütter und Väter haben sich gemeinsam geäußert. Der Deutsche Familienverband
hat darüber hinaus zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung eine
eigenständige Stellungnahme abgegeben. 18 1. Die Bundesministerien halten
die Nichtberücksichtigung der Kindererziehung bei der Bemessung der
Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung für verfassungsgemäß. 19 a)
Das Pflege-Versicherungsgesetz verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG. Familien mit Kindern würden in der
sozialen Pflegeversicherung besonders berücksichtigt. In ihr hätten
Familien mit Kindern sowohl auf der Beitrags- als auch auf der Leistungsseite
erhebliche Vorteile gegenüber kinderlosen Versicherten. Die Kinder des
Mitglieds seien in der sozialen Pflegeversicherung beitragsfrei mitversichert.
Gleiches gelte für den Ehegatten, wenn sein Einkommen die Geringfügigkeitsgrenze
nicht überschreite. Damit erhalte die Familie bei Entrichtung nur eines
Beitrags im Vergleich zu kinderlosen Ehepaaren einen entsprechend der
Kinderzahl vielfachen Versicherungsschutz, der mit der Geburt der Kinder
einsetze. Im Übrigen seien Mutterschafts- und Erziehungsgeld beitragsfrei.
Beitragsfrei mitversicherte Familienangehörige erhielten im Versicherungsfall
dieselben Leistungen wie beitragszahlende Mitglieder. Zudem würden pflegende
Familienangehörige durch Beitragszahlungen der Pflegekassen an die Rentenversicherung
sozial abgesichert. Sie seien auch in die gesetzliche Unfallversicherung
einbezogen. 20 Weitere Vergünstigungen für Familien in Form eines einheitlichen
oder nach der Kinderzahl gestaffelten Beitragsrabatts oder sogar einer
völligen Freistellung von Beiträgen seien nicht möglich. Die Finanzierung
der Pflegeversicherung baue auf Beiträgen auf, die grundsätzlich von
jedem Versicherten zu entrichten seien. Aus sozial- und familienpolitischen
Erwägungen könnte zwar eine Durchbrechung dieses Prinzips gerechtfertigt
sein. Dies setze allerdings voraus, dass es sich bei der Umverteilung
zugunsten der Familien um eine Aufgabe im Rahmen der Pflegeversicherung
handele. Jedoch könne eine finanzielle Entlastung - durch einen wie
auch immer ausgestalteten "Familienrabatt" - nicht spürbar und sinnvoll
die wirtschaftliche Situation der Familien verbessern. Selbst eine völlige
Freistellung von den Beiträgen zur Pflegeversicherung könnte das vom
Beschwerdeführer verfolgte Ziel einer wirksamen Entlastung nicht erreichen.
Dafür seien die Beiträge zu gering. 21 Bei einem Vergleich der Beitragsbelastung
von Familien mit der von Kinderlosen sei auch zu berücksichtigen, dass
kinderlose Erwerbstätige mit ihren Beiträgen nicht nur ihren eigenen
Versicherungsschutz bezahlten, sondern auch Transferleistungen für die
in der Pflegeversicherung beitragsfrei mitversicherten Ehegatten und
Kinder erbrächten. 22 b) Die Pflegeversicherung könne nicht dafür herangezogen
werden, in allgemeiner Form Kosten der Kindererziehung auszugleichen.
Das sei vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe im Rahmen des
Familienlastenausgleichs, der vorzugsweise im Steuerrecht und beim Kindergeld
durchgeführt werde. Das habe schon das Bundesverfassungsgericht in seinem
Urteil vom 7. Juli 1992 (BVerfGE 87, 1) bestätigt. Soweit der Beschwerdeführer
aus dieser Entscheidung einen Auftrag an den Gesetzgeber ableite, die
Beitragsregelungen noch familienfreundlicher zu gestalten, verkenne
er, dass Nachteile in der Pflegeversicherung - anders als in der Rentenversicherung
- nicht entstehen könnten, wenn wegen der Kindererziehung eine Erwerbstätigkeit
nur eingeschränkt möglich sei oder ganz auf sie verzichtet werde. Bei
Pflegebedürftigkeit erhielten alle Versicherten dieselben Leistungen,
unabhängig davon, ob die Versicherung aufgrund einer Mitgliedschaft
oder aufgrund einer beitragsfreien Mitversicherung als Familienangehöriger
bestehe. Insbesondere eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wegen
Kindererziehung habe auf den Umfang der Leistungen im Versicherungsfall
keine Auswirkungen. Die Pflegeversicherung sei eine von der Höhe der
geleisteten Beiträge unabhängige Risikoversicherung. Ihre Leistungen
hätten keine Lohnersatzfunktion und seien keine Zusatzrente. Sie seien
vielmehr dazu bestimmt, Pflegebedürftige von pflegebedingten Aufwendungen
zu entlasten. Damit unterscheide sich das System der Pflegeversicherung
grundlegend von dem System der Rentenversicherung; es bedürfe keiner
zusätzlichen Besserstellung von Familien im Beitragsrecht der Pflegeversicherung.
23 c) Die Pflegeversicherung verstoße nicht gegen das Sozialstaatsprinzip.
Weder ihre ambulanten noch ihre stationären Leistungen bewirkten die
gelegentlich behauptete "Umverteilung von unten nach oben". Die Pflegeversicherung
führe einen sozialen Ausgleich sowohl mit sozial ausgewogenen Beiträgen
als auch mit den am Pflegebedarf orientierten Leistungen durch. Sie
habe eine Umverteilung zugunsten sozial schwächerer Personen zur Folge.
Den sozial Schwachen, die ansonsten bei Pflegebedürftigkeit auf Leistungen
der Sozialhilfe angewiesen wären, würden Versicherungsleistungen zur
Verfügung gestellt, an deren Finanzierung nicht nur sie, sondern auch
die finanziell Stärkeren beteiligt seien. 24 2. Nach Auffassung des
AOK-Bundesverbands sind die Erwägungen des "Trümmerfrauen"-Urteils des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 87, 1) auf die soziale Pflegeversicherung
nicht übertragbar. 25 a) Anders als in der gesetzlichen Rentenversicherung
sei der Leistungsumfang nicht vom Umfang der vom Mitglied erbrachten
Beiträge abhängig. Auch die sich der Kindererziehung widmenden Familienmitglieder
und die familienversicherten Kinder selbst seien keinen Nachteilen ausgesetzt.
Die von den Kindern nach Erreichen des Erwerbsalters geleisteten Beiträge
zur Pflegeversicherung minderten ihre Leistungsfähigkeit zur Erfüllung
von allgemeinen Unterhaltspflichten gegenüber ihren Eltern nicht. Zum
einen seien die in der sozialen Pflegeversicherung zu zahlenden Beiträge
wesentlich geringer als die Rentenversicherungsbeiträge. Zum anderen
diene die Pflegeversicherung auch nicht der Alterssicherung, sondern
decke den pflegebedingt erhöhten Unterhaltsbedarf. 26 Soweit gleichwohl
ein Nachteil der Familie insofern verbleibe, als die von den Kindern
zur Sozialversicherung gezahlten Beiträge nicht der Unterhaltssicherung
der Eltern zur Verfügung stünden, sei dies wegen der Gestaltungsfreiheit
des Gesetzgebers nicht nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG zu beanstanden.
Die Einführung der sozialen Pflegeversicherung sei aufgrund der demographischen
und medizinischen Entwicklung geboten gewesen. Die Kinder pflegebedürftiger
Eltern würden im Übrigen selbst durch die Pflegeversicherung von entsprechenden
Unterhaltspflichten entlastet. 27 b) Die von Familienverbänden geforderte
beitragsrechtliche Familienkomponente sei verfassungsrechtlich nicht
geboten. Auch sei sie weder praktikabel noch auf die private Pflege-Pflichtversicherung
übertragbar. Die Beitragsgestaltung der Pflegeversicherung verstoße
auch nicht deshalb gegen die Beitragsgerechtigkeit, weil wegen der Beitragsbemessungsgrenze
höheres Einkommen unterproportional, durch den Mindestbeitrag niedriges
Einkommen überproportional zu den Kosten der Solidarversicherung herangezogen
werde. Diese Argumentation verkenne die Grenzen der verfassungsrechtlichen
Subsidiarität sozialer Leistungssysteme, die für eine Beitragsbemessungsgrenze
sprächen. Innerhalb der Grenzen zwischen Mindestbeitrag und Beitragsbemessungsgrenze
könne eine stärkere Belastung der einkommensstarken zugunsten der einkommensschwachen
Versicherten die Systematik der sozialen Versicherung überstrapazieren.
Wenn überhaupt, so sei eine zusätzliche Familienlastenkomponente im
Steuerrecht zu berücksichtigen. 28 3. Der Verband der Angestellten-Krankenkassen
und der Arbeiter-Ersatzkassen-Verband sind der Auffassung, die Beitragsvorschriften
des SGB XI verstießen nicht gegen das Grundgesetz. Schon der Ansatz
begegne Bedenken, es sei bei Eltern weniger wahrscheinlich als bei einem
kinderlosen Ehepaar, dass sie "öffentliche Pflege" in Anspruch nehmen
müssten. Es sei aus unterschiedlichen Gründen keineswegs sicher, dass
im Alter pflegebedürftig gewordene Eltern von ihren Kindern gepflegt
würden. Im Übrigen habe auch der Pflegebedürftige, der durch seine Kinder
gepflegt werde, einen Anspruch auf Pflegegeld. Dass der Pflegegeldanspruch
geringer sei als der Sachleistungsanspruch, habe seinen sachlichen Grund
in dem vom Gesetzgeber befürchteten "Mitnahmeeffekt". Der Beitrag der
Eltern zur Finanzierung der Pflegeversicherung in Gestalt des geleisteten
Kindesunterhalts werde hinreichend durch die beitragsfreie Familienversicherung
honoriert. Dass das Pflegerisiko bei Kindern erheblich geringer sei,
entwerte diese Überlegung nicht. Denn im Falle der Pflegebedürftigkeit
sei die Belastung der Eltern in der Regel erheblich höher als bei einer
Erkrankung. Der Beitragssatz habe auch nicht degressiv ausgestaltet
werden müssen. Eine übermäßige Belastung der Beschwerdeführer durch
die in der sozialen Pflegeversicherung erhobenen Beiträge sei nicht
zu erkennen. 29 4. Der Deutsche Juristinnenbund hält die Bemessung der
Beiträge in der sozialen Pflegeversicherung nicht für gerecht. Die Sozialversicherung
legitimiere sich aus dem von ihr angestrebten sozialen Ausgleich. Beiträge
dürften daher nicht nach dem individuellen Risiko, sondern - darin dem
Steuerrecht vergleichbar - allein nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
des Einzelnen bemessen werden. Im Steuerrecht führe die Belastung nach
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu einer progressiven Besteuerung
und zur Steuerfreiheit des Existenzminimums. Eine strenge Ankoppelung
der Beiträge zur Pflegeversicherung an das Leistungsfähigkeitsprinzip
müsste als prozentualer Zuschlag zur Steuerbelastung des Einzelnen,
ähnlich dem Solidaritätszuschlag, ausgestaltet sein. Nur die im Steuerrecht
vorgenommene Belastung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen
berücksichtige die Leistungsfähigkeit des Einzelnen vertikal im Rahmen
der Einkommensverteilung innerhalb der Gesamtbevölkerung und horizontal
im Rahmen der Unterhaltsbelastung innerhalb der jeweiligen Einkommensstufe.
Es sei für die Ausgestaltung des Sozialversicherungsbeitrags wenn schon
nicht eine progressive, so doch zumindest eine gleichmäßige - lineare
- Beitragserhebung auf höhere und niedrigere Einkommen erforderlich;
die Bezieher höherer Einkommen müssten proportional mindestens ebenso
hoch belastet werden wie die Bezieher niedrigerer Einkommen. 30 Die
Beitragsbemessungsgrenze in der Pflegeversicherung wirke sich dagegen
wie ein Freibetrag für höhere Einkommen aus; niedrigere Einkommen würden
im Grundsatz voll erfasst. Damit werde das Risiko der Pflegebedürftigkeit
anders als vor dem In-Kraft-Treten des SGB XI nicht mehr durch Steuermittel
auf der Grundlage eines die höheren Einkommen überproportional belastenden
Steuertarifs, sondern über Beiträge auf der Grundlage eines die höheren
Einkommen begünstigenden Sozialversicherungstarifs finanziert. Ähnliche
Probleme stellten sich bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei
der Pflegeversicherung komme noch hinzu, dass die unteren Einkommen
nicht nur überproportional belastet, sondern darüber hinaus unterproportional
begünstigt seien, jedenfalls soweit es um Leistungen im stationären
Bereich gehe. Für die Mehrzahl der in Heimen untergebrachten Pflegebedürftigen
ändere sich durch die Pflegeversicherung nichts. Wegen ihrer gemessen
an den stationären Pflegekosten zu niedrigen Renten und Vermögen seien
sie weiterhin auf den Bezug von Sozialhilfe angewiesen. Nutznießer der
Leistungen durch die Pflegekassen seien Personen und deren Erben, die
während des Erwerbslebens hohe Rentenanwartschaften oder eine anderweitige
hohe Alterssicherung aufgebaut hätten. Ihr Vermögen werde geschont.
31 5. Der Deutsche Familienverband, der Familienbund der Deutschen Katholiken
und der Verband Alleinstehender Mütter und Väter wenden sich in ihrer
gemeinsamen Stellungnahme gegen die Art der Finanzierung der sozialen
Pflegeversicherung. 32 a) Der Gesetzgeber habe sich für eine umlagefinanzierte
Lösung entschieden. Dadurch würden wiederum die Familien doppelt belastet,
die Beiträge zahlten und zugleich durch die Erziehung der Kinder auch
in der Zukunft die Pflege sicherstellten. Kinderlose leisteten keinen
Beitrag für die zukünftige Pflegegeneration und seien selbst in Zukunft
verstärkt auf die aufwendigere stationäre Pflege angewiesen. Das Konzept
der sozialen Pflegeversicherung sei noch viel mehr auf die Familien
angewiesen, als es bereits bei der gesetzlichen Rentenversicherung der
Fall sei. Bei beiden Systemen zögen die Familien die bestandssichernden
künftigen Beitragszahler auf; bei der Pflegeversicherung hätten die
heutigen Kinder außerdem noch die Funktion der Pflegepersonen zu übernehmen.
Da das Finanzierungsverfahren der sozialen Pflegeversicherung nicht
die Leistungen der Familien für dieses Sozialversicherungssystem anerkenne,
entstehe auch hier wieder eine verfassungsrechtlich sehr bedenkliche
Regelung. Zwar sei die Versicherung der Pflegepersonen in der gesetzlichen
Rentenversicherung im Grundsatz begrüßenswert. Jedoch seien die erzielbaren
Anwartschaften zu gering, wenn man darauf abstelle, dass der Pflegende
durch die Pflegetätigkeit am Erwerb einer eigenen Alterssicherung gehindert
sei. Zum Ausgleich der Belastung der Familien werde vorgeschlagen, einen
Freibetrag von 900 DM je Kind und Monat einzuführen. Der Freibetrag
solle für jedes nach § 25 SGB XI versicherte Kind gewährt werden. 33
b) Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden auch insofern, als zwar
ein nicht erwerbstätiger Ehegatte ohne Kinder beitragsfrei versichert
sei, nicht aber eine geschiedene, nicht erwerbstätige Mutter mehrerer
Kinder. Mit der Kindererziehung trage die geschiedene Mutter zum Erhalt
der Sozialversicherungssysteme bei und könne in ungleich höherem Maße
erwarten, bei Eintritt des Pflegefalls von ihren Kindern häuslich gepflegt
zu werden. Erhalte die allein erziehende Mutter Unterhalt vom geschiedenen
Ehemann, sei der Beitrag für sie faktisch schon geleistet. Denn der
Unterhalt werde vom beitragsbelasteten Erwerbseinkommen des Verpflichteten
gezahlt. Bei einem allein erziehenden Elternteil, der wegen Kindererziehung
keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne, müsse für eine verfassungskonforme
Lösung seine Leistung für die Kinder als Beitrag eigener Art gewertet
werden, und zwar so lange, wie die Erwerbsbehinderung bei typisierender
Betrachtung andauere. 34 6. Der Deutsche Familienverband trägt in seiner
zusätzlichen Stellungnahme weitere Aspekte zur Stützung seiner Auffassung
vor, die Pflegeversicherung bewirke eine Transferausbeutung der Familien.
35 a) Die Pflegeversicherung sei mit dem erklärten Ziel eingeführt worden,
einen sozialen Abstieg im Alter zu verhindern und das Vermögen dieser
Altersgruppe zu schützen. Zur Vermögensbildung seien aber in besonderer
Weise Kinderlose infolge ersparter Unterhaltsaufwendungen und fehlender
Erwerbsverhinderung durch Kinder befähigt. Armut sei heutzutage ein
Problem der Familien. Trotz der Anhebung direkter staatlicher Familienleistungen
sei das Verhältnis der Nettoeinkommen von kinderlosen jungen Ehepaaren
einerseits und jungen Familien andererseits in den letzten Jahrzehnten
zum Nachteil der Familien nahezu unverändert geblieben. 36 Soweit die
gegenwärtige Rentnergeneration in ihrem Einkommen und Vermögen durch
die Pflegeversicherung geschützt werde, müsse die gesamte Erwerbsfähigengeneration
durch ihre Beiträge die Leistungen für diese Rentnergeneration erbringen.
Auch hier komme es schon deswegen zu einem Transfer, weil ein nicht
unerheblicher Teil der heutigen Rentner kinderlos geblieben sei (etwa
10 %) oder nur ein Kind groß gezogen habe (20 %). Diese Umverteilung
von jung nach alt sei weitgehend identisch mit einer Umverteilung von
unten nach oben. Denn die heutige Rentnergeneration sei im Durchschnitt
relativ wohlhabend. 37 b) Die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung
über Beiträge sei familienfeindlich. Höhere Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze
würden verschont. Anders als bei der Steuer mit ihren Freibeträgen und
dem progressiven Tarifverlauf werde bei der Bemessung der Beiträge keinerlei
Rücksicht auf die Familiengröße und deren Belastbarkeit genommen. Bei
einer allein stehenden Person mit einem Bruttojahreseinkommen von 60.000
DM belaste der Arbeitnehmeranteil deren frei verfügbares Einkommen mit
1,5 %. Bei einer vierköpfigen Familie mit dem gleichen Jahreseinkommen
ergebe sich jedoch eine Belastung von 7 %. Das sozialversicherungsrechtliche
Beitragssystem stamme aus einer Zeit, in der die gesellschaftlichen
Lebensmuster und die Kinderverteilung sehr viel homogener gewesen seien
als heute. Der Gesetzgeber habe die gebotene Anpassung an die veränderten
Bedingungen versäumt. 38 c) Aus einer Gesamtschau aller gegen die Pflegeversicherung
bestehenden Bedenken folge die Grundrechtswidrigkeit der Beitragsregelungen
des SGB XI. Diese verstießen bereits gegen den vom Bundesverfassungsgericht
dem Gesetzgeber in seinem Urteil vom 7. Juli 1992 (BVerfGE 87, 1) auferlegten
Auftrag zur Verbesserung der finanziellen Situation der Familien. Art.
3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG werde maßgeblich durch den
zuvor aufgezeigten "Konstruktionsfehler" der Pflegeversicherung, der
Nichtberücksichtigung der finanziell belastenden Erziehungsleistungen,
verletzt. Beitragsleistung und Kindererziehung seien gleichwertig. Zwar
habe sich das Bundesverfassungsgericht diesen Standpunkt in seinem Urteil
vom 7. Juli 1992 nicht zu Eigen gemacht. Es habe jedoch nicht hinreichend
bedacht, dass die Vergleichbarkeit von ökonomischen Sachverhalten, um
die es in beiden Fällen gehe, nur anhand ökonomischer Kriterien erfolgen
könne. Beitragsleistung bedeute vergangenheitsorientierten Konsumverzicht
zugunsten des Unterhalts der eigenen Elterngeneration, Kindererziehung
bedeute zukunftsorientierten Konsumverzicht zugunsten der nachwachsenden
Generation. Auch habe das Bundesverfassungsgericht nicht genügend beachtet,
dass es auf der volkswirtschaftlichen Ebene immer nur eine Finanzierung
durch Umlage geben könne. Der vom Deutschen Juristinnenbund gemachte
Vorschlag, den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung als Zuschlag
zur Einkommensteuer nach dem Muster des "Solidaritätszuschlags" zu erheben,
werde nachdrücklich unterstützt. 39 IV. In der mündlichen Verhandlung
haben sich der Beschwerdeführer, die Bundesregierung, die Spitzenverbände
der Krankenkassen, der Deutsche Juristinnenbund und der Deutsche Familienverband
geäußert. Als Sachverständige hat der Senat die Professoren Dr. Winfried
Schmähl und Dr. Herwig Birg gehört. 40 B. Gegenstand der zulässigen
Verfassungsbeschwerde sind § 54 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 sowie § 57 SGB XI. Zwar richtet sich die Verfassungsbeschwerde
auch auf die Feststellung der Nichtigkeit weiterer Vorschriften des
SGB XI über die Beitragspflicht. Aus ihrer Begründung ergibt sich jedoch,
dass der Beschwerdeführer das SGB XI nur insoweit angreift, als weder
in Bezug auf den Beitragssatz noch in Bezug auf die Bestimmung der beitragspflichtigen
Einnahmen darauf Rücksicht genommen wird, dass er unterhaltsberechtigte
Kinder hat. Die Beschwer ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben
genannten Vorschriften. Der Antrag ist daher entsprechend auszulegen
(vgl. BVerfGE 68, 1 <68>). 41 C. § 54 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 1 Satz
1 und Abs. 2 sowie § 57 SGB XI sind mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit die Mitglieder der sozialen
Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, bei gleich hohem
beitragspflichtigem Einkommen mit einem betragsmäßig gleich hohen Beitrag
zur Pflegeversicherung belastet werden wie kinderlose Mitglieder. Demgegenüber
lässt sich eine Verpflichtung des Gesetzgebers, Mitglieder der sozialen
Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, von der Beitragspflicht
auszunehmen, aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht herleiten. 42 I. Als Freiheitsrecht
verpflichtet Art. 6 Abs. 1 GG den Staat, Eingriffe in die Familie zu
unterlassen. Darüber hinaus enthält die Bestimmung eine wertentscheidende
Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie
zu schützen und zu fördern (vgl. BVerfGE 87, 1 <35> m.w.N.). Art. 3
Abs. 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend
verschieden zu regeln (vgl. BVerfGE 71, 255 <271>; stRspr). Es ist grundsätzlich
Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale beim Vergleich
von Lebenssachverhalten er als maßgebend ansieht, um sie im Recht gleich
oder verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 50, 57 <77>; stRspr). Art.
3 Abs. 1 GG verbietet es ihm aber, dabei Art und Ausmaß der tatsächlichen
Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen. Der Gleichheitssatz ist
verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt hat, Ungleichheiten der zu
ordnenden Lebenssachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind,
dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise
beachtet werden müssen (vgl. BVerfGE 71, 255 <271>). Innerhalb dieser
Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei (vgl. BVerfGE
94, 241 <260>). Allerdings kann sich eine weiter gehende Einschränkung
aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung
der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und
ohne Kinder gleich behandeln, der besondere Schutz zu beachten, den
der Staat nach Art. 6 Abs. 1 GG der Familie schuldet (vgl. BVerfGE 87,
1 <36>). 43 II. Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht dadurch verletzt, dass Mitglieder
der sozialen Pflegeversicherung auch dann, wenn sie Kinder betreuen
und erziehen, der Beitragspflicht unterworfen werden. 44 1. Familien
werden durch finanzielle Belastungen, die der Gesetzgeber Bürgern allgemein
auferlegt, regelmäßig stärker finanziell betroffen als Kinderlose. Dies
hat seinen Grund in der besonderen wirtschaftlichen Belastung von Familien,
die sich aus der in Art. 6 Abs. 2 GG vorgegebenen und im Familienrecht
im Einzelnen ausgeformten Verantwortung der Eltern für das körperliche
und geistige Wohl ihrer Kinder ergibt. So müssen Eltern einerseits für
den Unterhalt ihrer Kinder aufkommen, andererseits können ihnen Einkommensverluste
oder Betreuungskosten entstehen. Häufig sieht sich ein Ehepartner durch
Betreuung und Erziehung der Kinder gehindert, eine Erwerbstätigkeit
aufzunehmen oder eine bisherige Erwerbstätigkeit während der ersten
Jahre nach der Geburt von Kindern uneingeschränkt fortzusetzen. Sind
beide Elternteile erwerbstätig, entstehen nicht selten erhebliche Kosten
durch die von Dritten wahrgenommene Kinderbetreuung. Finanzielle Lasten,
die Familien durch Sozialversicherungsbeiträge treffen, beschränken
daher ihren Spielraum stärker als die Beitragsverpflichtung von verheirateten
oder unverheirateten Personen ohne Kinder. 45 2. Der besondere Schutz
der Familie, zu dem Art. 6 Abs. 1 GG den Staat verpflichtet, hält den
Gesetzgeber aber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle
Belastung der Familie zu vermeiden. Diese wird nicht dadurch in verfassungswidriger
Weise benachteiligt, dass auch von einem erwerbstätigen Elternteil Beiträge
für eine Sozialversicherung erhoben werden, die zu einem erheblichen
Teil das finanzielle Risiko der Pflegebedürftigkeit für ihn, seine Kinder
sowie seinen nicht erwerbstätigen Ehegatten abdeckt und diese zudem
noch weithin beitragsfrei stellt (vgl. § 25 SGB XI). Der Staat ist auch
nicht durch die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung
der Familie gehalten, diese Beitragslast auszugleichen (vgl. BVerfGE
23, 258 <264>; 82, 60 <81>; 87, 1 <35>; 97, 332 <349>). Die staatliche
Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt
des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der
Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung
auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen
und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht
des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln,
ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen
ist und dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG nicht mehr genügt.
Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG in
Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des
Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung
darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer
Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen
Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen
für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich
zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich
Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 87, 1 <35 f.> m.w.N.).
Er bewegt sich innerhalb dieses Spielraums, wenn er auch die Familien
mit Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung belastet. 46 III. Die
angegriffenen Vorschriften verstoßen nicht deshalb gegen Art. 3 Abs.
1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG, weil sie den besonderen Beitrag,
den Versicherte mit unterhaltsberechtigten Kindern für das System der
sozialen Pflegeversicherung erbringen, in dieser Versicherung nicht
leistungserhöhend berücksichtigen. 47 1. Verheiratete Eltern, die wegen
der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder gänzlich oder weitgehend auf
Erwerbsarbeit verzichten, erleiden anders als in der durch Lohn- und
Beitragsbezogenheit geprägten gesetzlichen Rentenversicherung (vgl.
dazu BVerfGE 87, 1 <5, 37 f.>) gegenüber kinderlosen Versicherten, die
erwerbstätig sind, keine Nachteile bei der Inanspruchnahme der durch
die soziale Pflegeversicherung gewährten Leistungen. Art und Ausmaß
der Leistungen, die diese gewährt, hängen allein davon ab, dass der
Pflegebedürftige in der Pflegeversicherung versichert oder mitversichert
ist, und nicht davon, in welchem Umfang er Beiträge entrichtet hat.
Die soziale Pflegeversicherung kennt Leistungen ohne Beiträge. So erhält
etwa der nach § 25 SGB XI im Rahmen der Familienversicherung beitragsfrei
versicherte Ehegatte bei gleicher Pflegestufe die gleichen Leistungen
wie ein Versicherter, der immer Höchstbeiträge gezahlt hat. 48 2. Allerdings
kann bei Eltern der Aufwand der Pflegeversicherung geringer sein als
bei kinderlosen Mitgliedern, weil bei ihnen die Pflege durch Kinder
an die Stelle der Pflege durch Dritte treten kann. 49 a) Vergleicht
man die Gruppe der Eltern mit den Kinderlosen, so sind erhebliche Unterschiede
im Aufwand bei stationärer Pflege nicht nachweisbar. Der Sachverständige
Professor Dr. Schmähl hat ausgeführt, es lägen derzeit keine repräsentativen
empirischen Daten vor, ob stationäre Pflege von Kinderlosen häufiger
in Anspruch genommen wird als von Pflegebedürftigen mit Kindern. Zwar
gebe es einige Anhaltspunkte dafür, dass sich ältere Pflegebedürftige
ohne Kinder im Vergleich zu Pflegebedürftigen mit Kindern relativ häufiger
in stationärer als in häuslicher Pflege befänden, jedoch scheine der
Unterschied nicht allzu ausgeprägt zu sein. 50 Für die Gesamtgruppe
der stationär Pflegebedürftigen dürfte sich dieses Bild nicht wesentlich
ändern, denn der Anteil der Bewohner von stationären Pflegeeinrichtungen,
die jünger als 60 Jahre sind, beträgt ohnehin nur 7 % (vgl. Schneekloth/Müller,
S. 132). Es lässt sich deshalb für diese Leistungen der Pflegeversicherung
nicht feststellen, dass pflegebedürftige Eltern die Pflegeversicherung
finanziell nennenswert weniger belasten als kinderlose Pflegebedürftige.
Hinzu kommt, dass - wie vom Gutachter ausgeführt - eigene Kinder nur
einer von mehreren Faktoren für die Entscheidung zur häuslichen oder
stationären Pflege sind und dieser Faktor derzeit nicht gewichtet werden
kann. 51 b) Dagegen hat im ambulanten Pflegebereich die Pflege durch
Kinder Einfluss auf den Umfang der Leistungsgewährung. Der Sachverständige
hat hierzu überzeugend festgestellt, dass die Elterneigenschaft, wenn
auch nicht die Zahl der Kinder, die Wahl zwischen den verschiedenen
Leistungsarten der ambulanten Pflege entscheidend bestimmt. Die Auswertung
der von ihm erhobenen Daten ergibt folgendes Bild: In der Gruppe der
über 60-Jährigen - zu denen über 80 % der Pflegebedürftigen zählen -,
die ambulant gepflegt werden, ist ein signifikanter Unterschied zu beobachten.
Pflegebedürftige Eltern nehmen zu 75,8 % Pflegegeld und nur zu 24,2
% andere, aufwendigere Leistungsarten (Sachleistung, Kombinationsleistung,
teilstationäre Leistung) in Anspruch. Für kinderlose Pflegebedürftige
gilt dagegen ein Verhältnis von 66 % zu 34 %. Würden Kinder - und hier
weit überwiegend Töchter und Schwiegertöchter -, die rund 38 % der Pflegepersonen
darstellen (siehe Schneekloth/Müller, S. 52 ff.), ihre Eltern und Schwiegereltern
nicht pflegen, wären der Pflegeversicherung im Jahre 2000 Mehrkosten
von 3,53 Mrd. DM entstanden. Selbst unter Berücksichtigung des Aufwands
für die zugunsten von Pflegepersonen zu zahlenden Rentenversicherungsbeiträge
hätten die Mehrkosten noch 2,695 Mrd. DM betragen. Dies entspricht etwa
8 % des gegenwärtigen Leistungsvolumens der sozialen Pflegeversicherung.
52 Dem steht nicht entgegen, dass die Leistungsausgaben im ambulanten
Bereich insbesondere in der nach dem vorhandenen Datenmaterial aussagekräftigsten
Pflegestufe II - bezogen auf alle Altersgruppen - für Pflegebedürftige
mit Kindern etwas höher sind als die für Pflegebedürftige ohne Kinder.
Denn entscheidend ist, dass insgesamt die Leistungsausgaben für Pflegebedürftige
ohne Kinder, die 60 Jahre und älter sind, um 10 % höher sind als für
gleichaltrige Pflegebedürftige mit Kindern. Die Altersgruppe der Pflegebedürftigen
unter 60 Jahren weist insoweit Besonderheiten auf, als zu vermuten ist,
dass für ihre Pflege weniger das Vorhandensein von Kindern maßgeblich
ist. Sie werden häufig noch durch ihre Eltern gepflegt. Für diese Kinderpflege
wird in erheblich größerem Umfang das Pflegegeld gewählt als im Falle
der Elternpflege. So erklärt sich nach Auffassung des Sachverständigen
auch, dass bezogen auf alle Altersgruppen pflegebedürftige Kinderlose
im Durchschnitt geringfügig geringere Pflegekosten verursachen als Pflegebedürftige
mit Kindern. 53 3. Es ist mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1
GG, auch in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG, vereinbar, wenn der Gesetzgeber,
der bei der Gestaltung sozialer Sicherungssysteme einen großen Gestaltungsspielraum
hat, die Erziehungsleistung von Eltern auf der Leistungsseite nicht
berücksichtigt, obwohl diese langfristigen Einfluss auf die Höhe der
Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung hat. Die bei kinderlosen Pflegebedürftigen
entstehenden Mehrausgaben der sozialen Pflegeversicherung haben nicht
nur einen maßvollen Umfang. Sie rechtfertigen sich auch als Folge des
mit der Pflegeversicherung verfolgten gesetzgeberischen Ziels, in solidarischem
Ausgleich auch denen Pflege zukommen zu lassen, die ansonsten niemanden
haben, der sie ihnen geben kann. Außerdem kann aus dem Umstand, dass
Eltern Erziehungsleistungen erbringen, nicht typisierend geschlossen
werden, dass sie später als Pflegebedürftige von ihren Kindern unter
Inanspruchnahme des günstigeren Pflegegeldes gepflegt werden. Dies gilt
umso mehr, als mit einem schwindenden Pflegepotential der Töchter und
Schwiegertöchter gerechnet wird (vgl. Rückert, Die demographische Entwicklung
und deren Auswirkungen auf Pflege-, Hilfs- und Versorgungsbedürftigkeit,
in: v. Ferber u.a. , Die demographische Herausforderung, 1989,
S. 121 f.). Schon heute ist das Fehlen von Angehörigen nur ein Grund
unter mehreren, sich für die Sachleistung zu entscheiden. Fast 90 %
der privaten Haushalte, in denen Pflegebedürftige versorgt werden, begründen
die Entscheidung für die Pflegesachleistung mit dem Gesundheitszustand
der pflegebedürftigen Person oder entsprechenden Empfehlungen des Medizinischen
Dienstes der Krankenversicherung. 73 % wollen mit der Entscheidung für
die Pflegesachleistung einer Überlastung der Angehörigen vorbeugen (vgl.
dazu Schneekloth/Müller, S. 63 f.). 54 IV. Art. 3 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 6 Abs. 1 GG ist jedoch dadurch verletzt, dass die Betreuung
und Erziehung von Kindern bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger
Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird die Gruppe
Versicherter mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen
Pflegeversicherung, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung
im Falle ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger
Weise benachteiligt. 55 1. Die Erziehungsleistung versicherter Eltern
begünstigt innerhalb eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems,
das der Deckung eines maßgeblich vom Älterwerden der Versicherten bestimmten
Risikos dient, in spezifischer Weise Versicherte ohne Kinder. Dabei
ist entscheidend, dass der durch den Eintritt des Versicherungsfalls
verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration
(60 Jahre und älter) auftritt. Die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig
zu werden, nimmt mit dem Lebensalter deutlich zu. Sie steigt jenseits
des 60. Lebensjahres zunächst leicht an, um dann jenseits des 80. Lebensjahres
zu einem die Situation des Einzelnen maßgeblich prägenden Risiko zu
werden (vgl. BTDrucks 12/5262, S. 62). Wird ein solches allgemeines,
regelmäßig erst in höherem Alter auftretendes Lebensrisiko durch ein
Umlageverfahren finanziert, so hat die Erziehungsleistung konstitutive
Bedeutung für die Funktionsfähigkeit dieses Systems. Denn bei Eintritt
der ganz überwiegenden Zahl der Versicherungsfälle ist das Umlageverfahren
auf die Beiträge der nachwachsenden Generation angewiesen. 56 a) Die
Begünstigung Kinderloser wird sichtbar, wenn man die Gruppe der Eltern,
die unterhaltsbedürftige Kinder haben, mit der Gruppe der kinderlos
bleibenden Versicherten im erwerbsfähigen Alter vergleicht. Beide sind
bei einer Finanzierung der Sozialversicherung im Umlageverfahren darauf
angewiesen, dass Kinder in genügend großer Zahl nachwachsen. Die heutigen
Beitragszahler der erwerbsfähigen Generation vertrauen im Umlageverfahren
darauf, dass in der Zukunft in ausreichendem Umfang neue Beitragsschuldner
vorhanden sind. Dies können nur die heutigen Kinder sein, denen in der
Zukunft zugunsten der dann pflegebedürftigen Alten durch die mit Beitragslasten
verbundene Pflichtmitgliedschaft eine kollektive Finanzierungspflicht
auferlegt wird, die einer auf den besonderen Bedarf der Pflege bezogenen
Unterhaltspflicht gleichkommt. Diese Pflicht besteht jedoch, unabhängig
vom Vorhandensein familiärer Unterhaltsverpflichtungen, gegenüber allen
pflegebedürftigen Alten. Beispielsweise ziehen alle in 20 oder 30 Jahren
Pflegebedürftigen aus der gegenwärtigen Erziehungsleistung von Eltern
in der Zukunft den gleichen Vorteil, für den eigenen Versicherungsfall
durch ein öffentlichrechtliches Pflichtversicherungssystem "gesamthänderisch
verbundener Unterhaltsschuldner" abgesichert zu sein und Pflegeleistungen
zu erhalten, unabhängig davon, ob sie selbst zum Erhalt des Beitragszahlerbestandes
durch Kindererziehung beigetragen haben oder nicht. 57 b) Damit erwächst
Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung
anderer beitragspflichtiger Versicherter, die wegen der Erziehung zu
ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten. Zwar werden
Kinderlose mit ihren Beiträgen auch zur Finanzierung des Pflegerisikos
der beitragsfrei mitversicherten Ehegatten und Kinder herangezogen.
Das wiegt jedoch den Vorteil der kinderlosen Versicherten zu Lasten
derjenigen nicht auf, die zur Abdeckung des Pflegerisikos aller im Alter
für die zukünftigen Beitragszahler sorgen. 58 Dieser Vorteil kinderloser
Beitragspflichtiger wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass ein Teil
der heutigen Kinder, deren Eltern derzeit in der sozialen Pflegeversicherung
versichert sind, dort in der Zukunft vielleicht überhaupt nicht oder
nur vorübergehend versicherungspflichtige Beitragszahler sein werden.
Dies ist bedingt durch die gesetzliche Zuweisung der Versicherungspflichtigen
entweder zur sozialen oder zur privaten Pflegeversicherung nach Einkommenshöhe
oder Art der Erwerbstätigkeit und der insofern bestehenden Fluktuation
zwischen den beiden Versicherungszweigen. Unter Berücksichtigung des
Umstandes, dass gegenwärtig rund 87 % der Bevölkerung in der sozialen
Pflegeversicherung versichert sind (siehe näher Bundesverfassungsgericht,
Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 2014/95 -, Umdruck S. 2 ff.) und Kinder
als Beitragszahler nicht nur das System der sozialen Pflegeversicherung
verlassen, sondern auch von der privaten Pflege-Pflichtversicherung
ihrer Eltern zu ihm wechseln werden, ist jedenfalls davon auszugehen,
dass die Erziehungsleistung in der sozialen Pflegeversicherung auch
in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Mitgliedern der
sozialen Pflegeversicherung zugute kommt. 59 2. Der aus der Konzeption
der sozialen Pflegeversicherung den kinderlosen Versicherten erwachsende
"systemspezifische" Vorteil unterscheidet sich von dem Nutzen, der einer
Gesellschaft durch Kinder und ihre Betreuung und Erziehung im Allgemeinen
erwächst. 60 Auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen
ist jede staatliche Gemeinschaft angewiesen. An der Betreuungs- und
Erziehungsleistung von Familien besteht ein Interesse der Allgemeinheit
(vgl. BVerfGE 88, 203 <258 f.>). Das allein gebietet es nicht, diese
Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen
Leistungssystem zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 87, 1 <35 f.>). Wenn
aber ein soziales Leistungssystem ein Risiko abdecken soll, das vor
allem die Altengeneration trifft, und seine Finanzierung so gestaltet
ist, dass sie im Wesentlichen nur durch das Vorhandensein nachwachsender
Generationen funktioniert, die jeweils im erwerbsfähigen Alter als Beitragszahler
die mit den Versicherungsfällen der vorangegangenen Generationen entstehenden
Kosten mittragen, dann ist für ein solches System nicht nur der Versicherungsbeitrag,
sondern auch die Kindererziehungsleistung konstitutiv. Wird dieser generative
Beitrag nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt
dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter
im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb
dieses Systems auszugleichen ist. Die kindererziehenden Versicherten
sichern die Funktionsfähigkeit der Pflegeversicherung also nicht nur
durch Beitragszahlung, sondern auch durch Betreuung und Erziehung von
Kindern. 61 3. Die Benachteiligung der beitragspflichtigen Versicherten
mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung,
die jeweils der Generation der Beitragszahler angehören, kann der Gesetzgeber
so lange vernachlässigen, wie eine deutliche Mehrheit der Versicherten
Erziehungsleistungen erbracht hat. Der Gesetzgeber kann unter solchen
Umständen von seinem Recht zur Generalisierung Gebrauch machen und von
einer die Erziehungsleistung berücksichtigenden Differenzierung der
Beiträge absehen. Zieht die ganz überwiegende Zahl der beitragspflichtigen
Versicherten Kinder auf, befindet sich ein auf dem Umlagesystem aufgebautes
Sozialversicherungssystem und insbesondere die soziale Pflegeversicherung
in einem generativen Gleichgewichtszustand. Die beitragspflichtigen
Versicherten sichern durch ihre Beiträge die Pflegebedürftigen ab. Zugleich
haben sie für ihre Kinder gesorgt. Dafür dürfen sie darauf vertrauen,
dass diese dann als versicherte Erwerbstätige ihr Pflegerisiko im Alter
mit Beiträgen abdecken und wiederum mit Erziehungsleistungen sich die
Basis für die eigene Risikosicherung schaffen. Bleibt bei diesem "Dreigenerationenvertrag"
der Anteil der kinderlosen Personen an der Mitgliederzahl der sozialen
Pflegeversicherung in der deutlichen Minderheit, so kann sie der Gesetzgeber
im Rahmen seines Gestaltungsspielraums in Bezug auf die Beiträge so
behandeln wie erziehende Versicherte. Der Gesetzgeber hat jedoch die
Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit überschritten, als er im Jahr 1994
das SGB XI - von den Vorschriften der §§ 25 und 56 SGB XI abgesehen
- ohne eine die Beitragslast der Eltern berücksichtigende Kinderkomponente
in Kraft treten ließ. 62 a) Zwar kann der Gesetzgeber, wenn es um die
Regelung komplexer Lebenssachverhalte geht, eine angemessene Zeit zur
Sammlung von Erkenntnissen und Erfahrungen beanspruchen. In dieser Zeit
darf er sich mit gröberen Generalisierungen begnügen. Damit einhergehende
Ungerechtigkeiten geben erst dann Anlass zur verfassungsrechtlichen
Beanstandung, wenn der Gesetzgeber seine Regelungen nicht anhand inzwischen
möglicher Erkenntnisse und Erfahrungen überprüft und auf den Versuch
einer sachgerechten Lösung verzichtet hat (vgl. BVerfGE 100, 59 <101>
m.w.N.; stRspr). 63 b) Schon 1994 war jedoch erkennbar, dass die Zahl
der Kindererziehenden in den letzten Jahrzehnten dramatisch abgenommen
hat. Der Gesetzgeber konnte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr davon ausgehen,
dass die beitragspflichtig Versicherten in ihrer ganz überwiegenden
Mehrheit neben den Beitragsleistungen durch das Aufziehen von Kindern
zur nachhaltigen Stabilisierung und Finanzierung der Leistungen der
sozialen Pflegeversicherung beitragen werden. 64 aa) Nach Einschätzung
des Sachverständigen Professor Dr. Birg wird die Bevölkerung Deutschlands
in den nächsten 50 Jahren unausweichlich und sehr massiv altern. Dies
deckt sich mit anderen Studien der Bevölkerungswissenschaft und lässt
sich mit einem hohen Grad an Verlässlichkeit voraussagen (vgl. auch
Mackensen, Wie sicher sind die demographischen Prognosen?, in: v. Ferber
u.a. , Die demographische Herausforderung, 1989, S. 17 ff., insbesondere
S. 55 f.; BTDrucks 13/11460, S. 69 f.). In Deutschland ist seit Mitte
der sechziger Jahre die Zahl der Lebendgeborenen je Frau von 2,49 in
rascher Folge auf mittlerweile 1,3 gesunken. In den meisten der wirtschaftlich
entwickelten Länder hat der Effekt beobachtet werden können, dass mit
steigendem Lebensstandard und steigendem Pro-Kopf-Einkommen die Geburtenrate
zum Teil erheblich unter 2,0 sinkt. Es ist - wie auch der Sachverständige
dargelegt hat - nichts dafür ersichtlich, dass sich die für diese Entwicklung
verantwortlichen Rahmenbedingungen alsbald grundlegend wandeln. Ein
sprunghafter Anstieg der Geburtenrate ist nicht zu erwarten, zumal ihr
deutliches Absinken unter das bestandserhaltende Niveau bereits eine
nicht mehr aufhaltbare Abwärtsspirale in Gang gesetzt hat. Denn die
Bevölkerung verringert sich nicht allein dadurch, dass weniger Kinder
geboren werden, als zur Bestandserhaltung erforderlich sind. Ganz wesentlich
verstärkt wird diese Entwicklung dadurch, dass es infolgedessen immer
weniger Personen gibt, die Kinder zeugen und gebären können. Außerdem
bleiben immer mehr Frauen kinderlos. Wollte man auch nur die heutige
Altersstruktur durch eine Erhöhung der Geburtenrate oder der Einwanderung
stabilisieren, so müsste nach Angaben des Sachverständigen rein rechnerisch
entweder die Geburtenrate pro Frau im gebärfähigen Alter von 1,3 umgehend
auf 3,8 steigen oder es müssten 188 Mio. jüngere Personen bis zum Jahr
2050 einwandern. 65 bb) Die beschriebene Entwicklung war schon 1994
erkennbar und vom Gesetzgeber bei Erlass des SGB XI zu berücksichtigen.
Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden Daten durfte er
nicht davon ausgehen, dass die Alterung der Gesellschaft durch einen
Anstieg der Geburtenrate nachhaltig abgemildert werde. Ihm waren das
schnelle Absinken und die sich seit Mitte der siebziger Jahre einstellende
Konsolidierung der Geburtenrate auf dem gegenwärtigen Niveau unterhalb
von 1,5 seit langem bekannt (vgl. BTDrucks 12/5262, Grafik 1.1). Ungeachtet
der unterschiedlichen Annahmen und der sich daraus ableitenden unterschiedlichen
Werte war die Tendenz der Bevölkerungsentwicklung bis zur Mitte des
21. Jahrhunderts zu Beginn der neunziger Jahre schon klar erkennbar.
Auf einer Datenbasis mit Stand vom 31. Dezember 1989 prognostizierte
das Statistische Bundesamt in seiner "siebten koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung"
(vgl. die Ergebniszusammenfassung bei Sommer, Entwicklung der Bevölkerung
bis 2030, WiSta 1992, S. 217 ff.), dass im Jahre 2030 die Bevölkerung
in Deutschland um mehr als 10 % zurückgehen und über ein Drittel der
Bevölkerung 60 Jahre und älter sein werde. In der "achten koordinierten
Bevölkerungsvorausberechnung" des Statistischen Bundesamtes (vgl. wiederum
Sommer, Entwicklung der Bevölkerung bis 2040, WiSta 1994, S. 497), die
auf den Daten mit Stand vom 31. Dezember 1992 beruht, wurde davon ausgegangen,
dass die Geburtenrate im Wesentlichen unverändert bleiben werde, dagegen
das Wanderungsverhalten der Ausländer nicht sicher eingeschätzt werden
könne. 66 Selbst bei gleich bleibender Eintrittswahrscheinlichkeit des
Pflegefallrisikos bewirkt der beträchtliche Rückgang der Erziehungsleistung
nicht nur, dass sich die Relation zwischen (jüngeren) Beitragszahlern
und (älteren) Pflegebedürftigen stetig verschlechtert. Auch gibt es
keine zuverlässigen Anhaltspunkte dafür, dass in der Zukunft ältere
Menschen einem wesentlich geringeren Risiko unterliegen, pflegebedürftig
zu werden, als heute. Gleich bleibend hohe, wenn nicht gar steigende
Leistungsausgaben müssen von immer weniger Personen finanziert werden.
Dies führt auch dazu, dass immer weniger jüngere Versicherte neben ihrer
Beitragslast zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung
die Kostenlast der Kindererziehung tragen. Die gleiche Belastung mit
Versicherungsbeiträgen führt zu einem erkennbaren Ungleichgewicht zwischen
dem Gesamtbeitrag, den Kindererziehende in die Versicherung einbringen,
und dem Geldbeitrag von Kinderlosen. Hierin liegt eine Benachteiligung
von erziehenden Versicherten, die im Beitragsrecht auszugleichen ist.
Ein gewisser Ausgleich besteht zwar darin, dass die kinderbetreuenden
und -erziehenden Versicherten bei gleichen Beiträgen, wie sie Kinderlose
zahlen, Leistungen auch für die anderen Familienangehörigen erhalten.
Diese Begünstigung wiegt aber den mit der Erziehungsleistung zusätzlich
erbrachten generativen Beitrag und den damit verbundenen Nachteil der
Erziehenden angesichts des Vorteils, der den Kinderlosen durch die Erziehungsleistung
zuwächst, nicht vollständig auf. Dementsprechend fordert der Ausgleich
der Benachteiligung mehr als nur den beitragsfreien Erwerb des Rechts
auf Inanspruchnahme von Pflegeleistungen durch Familienangehörige. 67
D. I. 1. Dem Gesetzgeber stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung,
die Verfassungswidrigkeit des § 54 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 1 Satz 1
und Abs. 2 sowie § 57 SGB XI zu beseitigen. Daher sind diese Vorschriften
in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang lediglich für
unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG zu
erklären. 68 2. Eine Unvereinbarerklärung hat grundsätzlich zur Folge,
dass die verfassungswidrigen Normen nicht mehr angewendet werden dürfen.
Ausnahmsweise können sie weiter anwendbar sein. Im Interesse der Rechtssicherheit
und im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber prüfen muss, welche Wege
zur Herbeiführung einer verfassungskonformen Rechtslage tragfähig und
finanzierbar sind, ist es im vorliegenden Fall geboten, die Weiteranwendung
von § 54 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie § 57 SGB
XI bis zum 31. Dezember 2004 zuzulassen (vgl. BVerfGE 92, 53 <73> m.w.N.;
stRspr). Spätestens bis zu diesem Zeitpunkt hat der Gesetzgeber eine
verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Bei der Bemessung der Frist
hat der Senat berücksichtigt, dass die Bedeutung des vorliegenden Urteils
auch für andere Zweige der Sozialversicherung zu prüfen sein wird. 69
II. Der Gesetzgeber verfügt über einen großen Spielraum bei der Ausgestaltung
eines Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG entsprechenden
Beitragsrechts in der sozialen Pflegeversicherung. Das Grundgesetz verpflichtet
ihn lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren
Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung
bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. 70 Der danach zwischen
Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich muss allerdings
durch Regelungen erfolgen, die die Elterngeneration während der Zeit
der Betreuung und Erziehung entlasten, denn die Beiträge, die von der
heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten
kinderloser Versicherter geleistet werden, die dann den pflegenahen
Jahrgängen angehören oder pflegebedürftig sind, basieren maßgeblich
auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern.
Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase
auf; sie ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen. Der verfassungsgebotene
Ausgleich zwischen erziehenden und nicht erziehenden Mitgliedern der
sozialen Pflegeversicherung kann deshalb nicht durch unterschiedliche
Leistungen im Falle des Eintritts der Pflegebedürftigkeit erfolgen.
71 Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, wie er die Betreuungs- und
Erziehungsleistung bei der Beitragsbemessung von beitragspflichtigen
Versicherten mit Kindern berücksichtigt. 72 Allerdings ist er von Verfassungs
wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete
bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Denn bereits dessen Betreuung
und Erziehung führt dazu, dass Ungleiches im Beitragsrecht der sozialen
Pflegeversicherung verfassungswidrig gleichbehandelt wird. 73 III. Da
die vom Beschwerdeführer unmittelbar angegriffenen Regelungen des SGB
XI verfassungswidrig sind, hat seine Verfas- 74 sungsbeschwerde Erfolg.
Daher ist die Erstattung der ihm erwachsenen notwendigen Auslagen anzuordnen
(§ 34 a Abs. 2 BVerfGG). 75 Papier Richter Kühling ist aus dem Amt geschieden
und daher gehindert, die Unterschrift zu leisten. Papier Jaeger Haas
Hömig Steiner Hohmann-Dennhardt Hoffmann-Riem
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